Hochtourenwoche "Silvretta"
vom 8. - 14. Juli 2012
In einer Woche streifen wir durch eine traumhafte Grenzregion der Schweiz: sanfte Gletscher, imposante
Aussichtsberge mit bekannten Namen und einladende, angenehme Hütten sind unsere Begleiter.
8. Juli – zur Tuoi-Hütte
Wo liegt die Tuoi-Hütte? In dem entlegenen, wenig bekannten Grenzgebiet zwischen der Schweiz und
Österreich – im Unterengadin. Eine fröhliche Gruppe von elf Teilnehmern/Innen treffen sich in Zürich –
und lassen sich noch von ausgelassenen frühmorgendlichen Festheimkehrern im Zürich-HB abknipsen!
Zuverlässig bringt uns die SBB nach Landquart, wo wir mit der Rhätischen Bahn nach Guarda weiter
reisen. Vom Bahnhof Guarda, der abseits des Dorfes im Talgrund liegt, bringt uns ein kleiner Bus hinauf
in das verträumte „Schellen-Ursli“ Dorf am Südhang des Unterengadins.
Dem Wetterbericht trotzend,
wandern wir bei Sonnenschein von hier aus auf einer breiten Natur-Alpstrasse zur Tuoi-Hütte auf 2'250
Metern Höhe. Zwischendurch wird unser forsches Tempo durch eine grosse Rinderherde blockiert, die
gemächlich zur nächsten Weide empor schlendert: die frischen Spuren welche die Rinder auf der Strasse
hinterlassen, versuchen wir mit unseren noch sauber glänzenden Bergschuhen zu meiden!
Gegen 16 Uhr
erreichen wir die einsam gelegene, renovierte und erweiterte Tuoi-Hütte, ganz hinten im gleichnamigen
Val Tuoi liegend. Mit Blick von der Hütte aus auf den Piz Buin, dessen Spitze von Wolken verhüllt wird,
erkennen wir einen Gipfel, auf dem wir in einigen Tagen auch stehen sollten!
9. Juli – Hinter Jamspitz und Jamtalhütte
Frühmorgens, bei leichter Bewölkung und umherziehenden Nebelschwaden, brechen wir zu einem neuen
Erlebnis auf. Im kühlen Schatten steigen wir in Richtung des Übergangs Fuorcla Vermunt auf. Über
magere Wiesen die mehr und mehr in lockeres Geröll übergehen, lassen wir die Vegetation allmählich
unter uns. Wir überqueren Bäche, erste Schneefelder und nach einem längeren imposanten
trichterförmigen Firnfeld erreichen wir den Pass, die Fuorcla Vermunt, und damit die Grenze zu
Österreich.
Den ganzen Tag begleitet uns nun die Sonne über den Vermuntgletscher, durch die
Ochsenscharte und hinauf zur „Hinter Jamspitz“ auf 3'156 Metern. Eigentlich wäre als Gipfelziel die
weiter entfernt liegende Gemsspitz vorgesehen gewesen, aber nachdem wir schon 6 Stunden unterwegs
waren und die Kondition in der noch jungen Tourenwoche, allmählich nachliess, freuten wir uns ob dem
näher gelegenen Ziel, eben der „Hinter Jamspitz“.
Zügig steigen wir den Jamtalferner (Gletscher) ab zur
gleichnamigen Hütte. Welch ein Unterschied zu unseren SAC-Hütten! Geräumige Unterkünfte, heimeliger
Speisesaal, Duschen und vor allem eine äusserst zuvorkommende, liebenswürdige Betreuung durch die
Familie Lorenz aus Galtür.
Hier darf man zur abendlichen Suppe noch Brot verlangen und erhält zur
Antwort nicht „....dies ist am Abend nicht vorgesehen, nur zum Frühstück“, wie tags zuvor in der SACHütte!
Dies wohlverstanden trotz eines vorgängigen stattlichen Trinkgeldes.
10. Juli – der Streich des „Petrus“
Mit der „Breiten Korne“ steht heute ein weiterer Dreitausender auf dem Programm. Tief liegende graue
Wolken hüllen die Bergspitzen um die Jamtalhütte ein und lasten auf unserer Stimmung. Trotzdem
brechen wir zur vorgesehenen Tour auf: eine einfache Wanderung, deren Ziel die Breite Krone mit 3'079
Metern sein sollte.
Dem tosenden „Futschölbach“ und dem „Breiten Wasser“ nach Osten folgend führt
uns ein angenehm angelegter Wanderweg durch Alpen in Richtung des Kronenjoch. Allmählich beginnt
es ganz fein zu regnen. Nach dem „Breiten Wasser“, unter einem riesigen schützenden Felsvorsprung,
ziehen wir den Regenschutz an und beraten. Wir entscheiden uns zur Umkehr! Die Wolken streichen
immer tiefer hinunter, die Hütte liegt schon längst in grauem Nebel und gelegentliches Donnern aus der
Richtung unseres Ziels verheisst nichts Gutes.
Nach einer halben Stunde Abstieg können wir uns der
Regenutensilien wieder entledigen, der Himmel klart auf und nun sollte es bis zum Abend schön und
heiss werden! Wir bereuen unsere Umkehr und nutzen den Tag trotzdem: eine kleine Gruppe unternimmt
eine Wanderung in der Umgebung der Hütte, eine andere Gruppe übt sich in der Gletscherspalten-
Rettung: verschiedene Versionen von Flaschenzügen werden installiert und ausprobiert, auch üben wir
selbständig an einem Seil hoch zu klettern. T-Blocks, Ropeman (Rücklaufbremse) und kleine
Kunststoffrollen sind uns dabei nützliche Hilfsmittel.
11. Juli – Dreiländerspitz und Wiesbadener Hütte
Die gestrigen Regenwolken sind verzogen und so steigen wir bei wieder blauem Himmel und nur leichter
Bewölkung empor zurück zur Ochsenscharte. Ein steiles Firnfeld mit gut begehbarem weichem Schnee,
führt uns von hier hinauf in Richtung Gipfel der Dreiländerspitz. Auf einer Höhe von etwa 3'000 Metern
lassen wir die Steigeisen zurück.
Eine leichte, aber ausgesetzten Blockkletterei folgt nun und bald
erreichen wir den schmalen Gipfel der Dreiländerspitz auf 3'197 Metern. Wir finden kaum alle Platz auf
dem engen Gipfel, drängen uns um das Gipfelkreuz, fotografieren, gratulieren einander, betrachten das
weite Panorama und machen uns bald wieder an den Abstieg. Eine etwas ausgiebigere Pause schalten
wir erst ein als wir wieder bei der Ochsenscharte angelangt sind und uns hier dazu mehr Platz zur
Verfügung steht!
Über einen Rest des Vermuntgletschers, dann über Geröll und anschliessend eine
bewachsene Moränenlandschaft, gelangen wir zur gut besuchten Wiesbadener Hütte. Eine Angestellte
kommt freudig grüssend auf uns zu und meint, dass sie zuerst ein Ankunftsfoto von der ganze Gruppe
machen müsse: obwohl etwas müde, stellen wir uns auf und tatsächlich ergibt sich mit dem Piz Buin im
Hintergrund, eine bleibende und unvergessliche Erinnerung mit einer glücklichen, zufriedenen und ob der
Kletterei auch etwas stolzen Gruppe.
12. Juli – Piz Buin
Nebel! Die Sicht ist schlecht und in einer Entfernung von etwa 100 Metern zur Hütte, versinkt alles in
einer weissen undurchdringlichen Nebelwand. Ein Gruppe Gebirgsjäger des österreichischen Militärs und
eine andere private Gruppe mach sich trotzdem auf den Weg zum Piz Buin. Auch wir folgen und hoffen,
dass sich der vorgestrige Tag wiederholen möge!
Zuerst führt der Weg durch eine Moränenlandschaft,
über Bäche und Firnfelder, allmählich empor zum Ochsentaler Gletscher. Mit Steigeisen und angeseilt
geht es recht steil auf diesem Gletscher bergwärts. Erst ab etwa 2'800 Metern Höhe beginnt sich der
Gletscher zu neigen und führt dann sanft ansteigend bis zur Buin-Scharte (Fuorcla Buin).
Welch
faszinierender Moment: langsam lüften sich die Nebelschwaden und geben die Sicht frei auf die
Silhouetten der stolzen Berggipfel welche in einem wolkenlosen Himmel leuchten. Wir sind über dieses
Geschenk unendlich glücklich!
In der Buin-Scharte lassen wir einen Teil des Rucksackinhaltes und auch
die Steigeisen zurück und folgen einem Geröllweg empor zum Gipfel. Bevor wir diesen aber erreichen
müssen wir einen kaminartigen Felsaufbau von etwa 80 Metern Höhe durchklettern. Auf 3'312 Metern
Höhe erreichen wir danach das Gipfelkreuz des bekannten Piz Buin!
Unterhalb des Gipfels, vom
kühlenden Wind geschützt, machen wir Rast trinken und essen und bringen so unsere Kalorienbilanz
wieder in Ordnung. Wieder zurück in der Buin-Scharte nehmen wir das zurückgelassene Material auf und
steigen den Gletscher ab zur Hütte. Man spürt es: alle sind glücklich und ausgelassen ob dieses
wunderschönen Erlebnisses.
13. Juli – vorzeitige Heimreise
Leider müssen wir heute auf den Übergang über die Egghornlücke hin zur Silvrettahütte verzichten:
anhaltender Regen, Blitz, Donner und schwere dunkle Regenwolken kündigen einen nassen Tag an. Zu
gefährlich um über den Ochsentaler- und Silvretta-Gletscher wieder zurück in die Schweiz zu gelangen.
Nach ausgiebiger Erkundigung der meteorologischen Verhältnisse entschliessen wir uns, die Woche
einen Tag früher abzubrechen und nach hause zurück zu kehren. Wir verlassen die Wiesbadenerhütte in
Richtung Silvrettastausee und Bielerhöhe von wo wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln rasch und
bequem nach Zürich heimkehren.
Ein unauslöschliches gemeinsames Erlebnis in einer unberührten
Natur, Erinnerungen an die leichten aber ausgesetzten Kletterpartien oder die amüsanten abendlichen
Jass-Partien und hie und da auch etwas Stolz ob der eigenen Leistung, nehmen wir für immer mit uns.
Telefonnummern:
Karten:
Landeskarten der Schweiz 1:25'000: 1198 Silvretta; 1178 Gross Litzner; 1179 Samnaun