Auf den Spuren der Süd-Walser
Wanderwoche vom 25. August – 1. September 2012
In einer Woche wandern wir durch eine intakte Natur und spüren die Geschichte der Walser anhand der
vielen verbliebenen Zeitzeugen: alte Kirchen, Wohnhäuser und Stadel im alten Baustil der Walser und da
und dort noch ältere Einwohner die das „Walser Titsch“ spreche.
25. August – Nach Saas-Almagell
Eine abwechslungsreiche, intensive Woche beginnt und die Unberechenbarkeit des Wetters wird uns
dazu zwingen, einen Tag früher als geplant abzubrechen!
Doch schön der Reihe nach: wir fahren mit dem
IC 820 in genau zwei Stunden in einer immer wieder beeindruckenden rasanten Fahrt von Zürich nach
Visp. Mit dem Postauto via Stalden erreichen wir dann den Startpunkt unserer Woche: Saas-Almagell.
Ein Vortrag von Dr. phil. Max Waibel und Bernhard Andenmatten mit dem Titel „Ischi Heimat – das Saas
Tal und die Süd-Walser“ stimmt uns ein und weckt unsere Neugier auf die kommenden Tage.
26. August – Mattmark Stausee - Macugnaga
Mit dem ersten Postautokurs um 07.51 Uhr verlassen wir Saas-Almagell in Richtung Mattmark Stausee.
Hohe Bewölkung und kühle Temperaturen machen uns unsicher: werden wir trocken über den hoch
gelegenen Monte Moro Pass gelangen? Auf der Naturstaumauer des Mattmark Sees verlassen wir das
Postauto und wandern auf einer breiten Naturstrasse dem See entlang in Richtung Süden. Am Seeende
bei Distelalp, ziehen wir die wärmenden Jacken aus, und einige gehen sogar in kurzen Wanderhosen
weiter, die ab und zu durchscheinende Sonne, verleitet uns dazu.
Auf dem Tälliboden, in einer Höhe von
knapp 2'500 Metern, erfasst uns dann ein kalter Nordwind und anstatt einer gemütlichen Rast, machen
wir einen „fliegenden“ Halt mit kurzer Stärkung und Wechsel zu wärmeren Kleidern. Dann geht es wieder
bergwärts. Eine Gruppe junger Tschechen, die zuvor rassig an uns vorbeigezogen ist, überholen wir
wieder und gegen Mittag sind wir bei der vergoldeten Madonna auf dem Monte Moro Pass, auf einer
Höhe von 2'853 Metern.
Schlotternd vor Kälte, schützen wir uns im Windschatten auf der Südseite der
Statue vor dem bissigen Nordwind: nur kurz reicht unsere Geduld für ein Gruppenfoto! Dann geht es
hinunter in die wenige Minuten entfernte und wärmende Hütte des Rifugio Gaspare Oberto. Mit der
Seilbahn fahren wir – da der Abstieg steil ist – bis zur Zwischenstation Alpe Bill hinunter, auf eine Höhe
von 1'700 Metern.
Hier folgen wir dem alten Säumerweg hinunter nach Macugnaga: bei strahlender
Sonne und wieder wärmeren Temperaturen, geniessen wir auf diesem Wegabschnitt die stets sich
wechselnden Ausblicke auf die riesige Süd-Wand des Monte Rosa Massivs. Die Höhendifferenz von der
höchsten Spitze, dem Nordende auf 4'609 Metern, bis hinunter nach Macugnage auf 1'307 Metern,
beträgt eindrückliche 3'300 Meter – auf einer relativ kurzen Entfernung!
Bleibende Eindrücke nehmen wir
von Macugnage nach hause: eine ältere Walserin, Frau Ruppen, welche in einem einfachen, kantigen
Walser-Titsch sich mit uns unterhält, ein freundlicher Empfang im Hotel Cima Jazzi und ein
ausgezeichnetes Nachtessen!
27. August – Über den Passo Turlo nach Alagna
Ein langer Tag erwartet uns! Nach einem kräftigen Frühstück fährt uns der Wirt mit seinem
Privattansporter in zwei Fahrten zum Lago delle Fate im Valle Quarazza. Nur das Rauschen des Baches
begleitet uns auf dem einsamen Pfad in diesem wilden und menschenleeren Tal. Über die verlassene
Alpe La Piana auf 1'613 Metern Höhe geht es allmählich bergwärts. Auf einer Höhe von etwa 1'800
Metern wird der Wanderweg allmählich breiter, mit Natursteinen und Platten ausgelegt und wo nötig mit
langen Natursteinmauern gesichert.
Währen des 1. Weltkrieges, so erfahren wir, soll das Militär den
Passo Turlo derart grosszügig ausgebaut haben. Langsam ansteigend, in grossen Serpentinen angelegt,
zieht der Weg seine Spuren, allmählich empor zum Scheitelpunkt des Passo Turlo auf 2'738 Metern
Höhe. Im Gegenstz zum Vortag macht uns heute die wärmende Sonne und der endlose Aufstieg etwas
zu schaffen!
Ähnlich ausgebaut ist auch der Weg im Abstieg nach Alagna im Valle della Sesia. Bei
strahlendem Sonneinschein steigen wir wieder gestärkt und beschwingt ab, unserem nächsten Ziel
entgegen. Vorbei über Alpen mit seltsamen Deutsch klingenden Namen, an die einstigen Walser
erinnernd, geht es hinunter: Alpe Grafenboden, Alpe Faller oder Alpe Blatte. Beim Rufugio Pastore, auf
einer Höhe von etwa 1'500 Metern, nachdem wir also gut 1'200 Meter abgestiegen sind, endet der Weg
und beginnt die Strasse, von Alagna her kommend. Hier, auf dem Kehrplatz, erwartet uns der Wirt des
Hotels Monterosa und bringt uns zur Unterkunft.
28. August – Olter-Tal und Passo Foric
Naturschönheiten sind Geschmacksache: für den einen sind dies, für den anderen jenes Momente
welche einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen oder den Wunsch wecken, wieder einmal an diesen
Ort zurück kehren zu können. Das Olter-Tal, oder italienisch Valle d’Otro, ist ein solcher Ort.
Nach einem
langen und steilen Aufstieg durch einen lichten Föhren- und Lerchen-Wald, erreichen wir, bei herrlichem
Wetter, die Waldgrenze und damit gleichzeitig auch die Talstufe mit den Alpen Follu, Dorf und Weng.
Nicht nur die Namen sind Zeitzeugen einer weit zurück liegende Epoche, auch die Holzbauten, in der
typischen Walliser Bauweise, erinnern uns an Holzkonstruktionen wie sie heute noch im
deutschsprachigen Teil des Wallis anzutreffen sind.
Wie konnten sich hier nur vor hunterten von Jahren
Siedler aus dem Wallis dauerhaft und ganzjährig niederlassen, in einer Höhe von gut 1'700 Metern und
abseits von Handelswegen? Es ist für uns heute, an Komfort und Annehmlichkeiten gewöhnte
Menschen, eine schwer vorstellbare einfache und harte Lebensweise, der wir nur Achtung und Ehrfurcht
entgegen bringen können!
Über den Passo Foric gelangen wir dann zurück zur Alpe Pianalunga und von
hier mit der Gondelbahn wieder hinunter nach Alagna.
29. August – Passo Salati/Alencoll nach Stafal
Aufgrund der unsicheren Wetterlage steht heute ein "Seilbahn-Highlight" auf dem Programm. Von Alagna
(Talstation auf 1'200 Metern) fahren wir mit der Gondelbahn zur Pianalunga auf gut 2'000 Metern Höhe
und von hier mit dem Stolz der Betreiber, einer neuartigen grossen Gondelbahn von „Caraventa“, zum
Passo Salati auf einer Höhe von 2'971 Metern!
Von hier steigen wir ab, am Istituto Scienziato und dem
abgebrannten Rifugio Guglielmina vorbei zum Alencoll. Dieser Übergang liegt zwischen dem
„Gemschhore“ und dem „Rothore“, zwei Bergen mit typischer alter Walser-Namensgebung. Unser Weg
folgt nun teils dem für Skipisten planierten Gebiet entlang, teils auf einem Wanderpfad, hinunter zum
Rifugio del Lys und dann etwas nach rechts abzweigend, in ein einsames Tal, hinunter nach Stafal.
Wieder begegnen wir – in einem Gebiet wo Italienisch gesprochen wird – seltsamen Flurnahmen wie
„Locher“ und „Moos“. In Stafal übernachten wir im neuen Hotel Nordend bei der Signora Emanuela,
welche uns mit der üblichen Herzlichkeit der norditalienischen Bergbevölkerung empfängt.
30. August – Regen – mit dem ÖV nach St. Jacques
Der Tag verläuft unspektakulär und typisch herzlich italienisch und daher will ich ihn erwähnen: wir
frühstücken um 6.00 Uhr und sollten den Bus um 6.51 Uhr ab Stafal nach Gressoney nehmen, wo wir
dann über den Pentecoll nach St. Jacques gelangen wollten. Ob der ungewissen Wetterentwicklung hin
und her gerissen will ich dann einen späteren Bus nehmen um die weitere Wetterlage abzuwarten.
Schliesslich gehe ich doch zur Busstation, wo der Bus von 6.51 Uhr noch wartete. Am Steuer sitzt Karl,
ein Chauffeur, den ich von der früheren Rekognoszierung her kenne und der gut „Walser-Titsch“ spricht.
Während unserer Unterhaltung beginnt es zu regnen und ich entschliesse mich kurzerhand, mit seinem
Linienbus hinunter zu fahren ins Aostatal. Da die Zeit für ihn allmählich knapp wird, fährt er ohne viel
Wenn und Aber mit seinem Linienbus direkt vor das Hotel wo unsere Gruppe von 16 Personen einsteigt!
Unterwegs telefoniert er dem Chauffeur des Linienbus welcher von Pont St. Martin nach Verrès fährt und
bittet ihn unseren Bus abzuwarten, damit wir nicht einen zu langen Aufenthalt in Pont St. Martin hätten!
Auch dies klappt wunderbar und so sind wir, dank zwei hilfsbereiten, unkomplizierten Buschauffeuren,
bereits früh nachmittags im Hotel Genzianella in St. Jacques im Valle d’Ayas.
31. August – Heimreise
Obwohl im Aostatal die Sonne scheint reisen wir einen Tag früher nach hause. Die lange und schöne
Route über den Col Nord des Cimes Blanches, die Testa Grigia auf 3'479 Metern Höhe und den Abstieg
zum Trockenen-Steg und nach Zermatt, muss ausfallen, leider! Es wäre ein Höhepunkt gewesen.
Mit
einem kleinen Privatbus fahren wir über Aosta zum Grossen St. Bernhard. Spätestens hier bin ich froh,
die Tour abgesagt zu haben: dicke Regenwolken, eisige Temperaturen und Schneegestöber erwarten
uns. Wir stellen uns vor, wie es wohl auf der Testa Grigia – noch 1'000 Meter höher – aussehen wird und
alle sind froh, diese Etappe verschoben zu haben: wir werden sie im kommenden Jahr bei gutem Wetter
nachholen!
Telefonnummern:
Karten:
Landeskarten der Schweiz: 1:50'000: 5006 Matterhorn-Mischabel + 294 Gressoney