Von Saas-Grund nach Bosco Gurin
Wanderwoche vom 16. Juli - 23. Juli 2016
In einer Woche wandern wir vom Wallis ins Tessin. Wir beginnen in der Umgebung der bekannten Viertausender, wandern über Pässe, durch Alpen und den Naturpark von Alpe Veglia und Alpe Dèvero in das malerische, verträumte Tessiner Kleinod Bosco Gurin. Unterwegs lassen wir uns kulinarisch verwöhnen.
16. Juli: von Zürich nach Gspon
Schon die Wettervorhersage ist spektakulär gewesen: für die ganze Woche war schönes und warmes
Sommerwetter prognostiziert! Zwölf Unternehmungslustige – zwei aus Glattbrugg – haben sich heute
Samstag frühmorgens im Zürich-HB getroffen. Ab dem neuen, imposanten unterirdischen Bahnhof
Löwenstrasse ging es dann um 8.32 Uhr mit dem IC 710 ab ins Wallis. Eine Teilnehmerin aus der Waadt
ist in Visp dazu gekommen und zwei weitere sollten noch einen Tag später in Simplon-Dorf zu uns
stossen. Bei wolkenlosem warmem Reisewetter sind wir schliesslich mit dem Postauto ab Visp in Saas
Grund angekommen, wo wir uns unverzüglich mit der Gondelbahn „Hohsaas“ zur Zwischenstation
„Kreuzboden“ hinauf bringen liessen. Die erste Höhe von 2'400 Metern erreichten wir um die Mittagszeit
somit mühelos. Eine kurze Zwischenverpflegung aus dem Rucksack genügte, denn ein längerer Weg
von etwa 4 ½ Stunden lag vor uns, der Höhenweg von Kreuzboden nach Gspon, eine ideale
„Einlauftour“, die spektakuläre Aussicht garantiert! Der kleine See auf dem Kreuzboden, der Weissmies
und auf der anderen Talseite die bekannten Viertausender: Allalinhorn, Alphubel, und der Dom als
höchster Gipfel der Mischabelgruppe boten eine unvergessliche und prachtvolle Kulisse und motivierten
uns für die ganze Woche. Auf dem Höhenweg, stets die wolkenlose weite Aussicht geniessend,
gelangten wir zur Alp Hoferälpij. Hier legten wir einen kurzen Halt ein, stärkten uns in der Alpwirtschaft
und genossen bei Käse, Trockenfleisch und Getränken die Aussicht. Über Färiga, Obere Schwarze Wald
und Oberfinilu erreichten wir schliesslich gegen 17.30 Uhr unser erstes Ziel das Berggasthaus Alpenblick
in Gspon, wo wir beim jungen und neuen Besitzerehepaar Peter und Lisa gut aufgehoben waren.
17. Juli: Gspon nach Simplon Dorf
Tagwacht: 6.00 Uhr und bei wolkenlosem Himmel leuchtet auf der anderen Talseite der Balfrin-Gletscher
bereits in der Morgensonne. Nach einem reichen Frühstück, einem Gruppenfoto mit der Chefin Lisa,
verlassen wir das Berggasthaus Alpenblick. Vorbei am höchst gelegenen Fussballfeld Europas auf 1’920
Metern Höhe, führt uns der Weg durch lichte Lärchenwälder über Sittestafel zum Gebidumpass und in
das Nanztal, stets die imposante Bergkulisse des Rohnetals vor uns, insbesondere auch die Pyramide
des Bietschhorns begleitete uns über weite Strecken. Ab dem Gebidumpass folgten wir der „Heido“,
einer etwa 5 Kilometer langen Wasserfassung (Suone) welche in den Gebidumsee fliesst und von dort
der Bewässerung dient. Und welche Blumenpracht in den Bergwiesen: Alpenrosen, Enzian,
Veilchenteppiche und Margriten schmückten unseren Weg. Bei kurzen Atempausen, trafen wir mehrmals
Froni, die Tochter eines Zermatter Bergführers welche mit ihrem Hund und einem 17 Kilogramm
schweren Rucksack unterwegs war. Bei Obers Fulmoos erreichten wir das Talende und nach einem
Mittagsrast ging es bergauf zum Sirwoltesattel. Nach einer längeren Pause stiegen wir dann ab in
Richtung Engiloch. Problemlos fanden wir unterhalb des Sirwoltasees den schmalen Abstieg, der vor
Jahren durch Wassermassen des Sees zugeschüttet worden ist. Da wir nach etwa 8 Stunden Marschzeit
allmählich Ermüdungserscheinungen aufwiesen, entschlossen wir uns ab Chlusmatte nicht mehr auf dem
Stockalper Weg nach Simplon Dorf zu laufen, sondern uns bei Engiloch im Restaurant zu stärken und
anschliessend um 17.00 Uhr mit dem letzten Postautokurs nach Simplon Dorf zu fahren. So erreichten
wir dann relativ gut erholt, unsere nächste Unterkunft, das Hotel Grina in Simplon Dorf. Hier treffen auch
die letzten zwei Teilnehmerinnen zu uns – mit insgesamt 15 Personen sind wir nun komplett.
18. Juli: Simplon Dorf zur Alpe Veglia
Nach dem strengen Vortag können wir heute etwas ausschlafen: Frühstück ist erst um 7.00 Uhr. Um 8.15
Uhr werden wir von einem kleinen Postauto-Spezialkurs abgeholt und bei wolkenlosem Himmel, nach
Egga ob Gondo, auf 1600 Metern Höhe, gefahren. Bei sommerlichen Temperaturen wandern wir von hier
über Chemi, Piäneza zur Alp Corvetsch, welche von einer Privatschule aus Solothurn als Sommerlager
für Kinder gut genutzt wird. Durch Lärchenwälder und Alpweiden mit stets herrlicher Aussicht und
Tiefblick auf Iselle, Domodossola, das Zwischbergental und den Weissmies – diesmal von der anderen
Seite – überschreiten wir vor der Alpe Vallescia die italienische Grenze. Nach der Alpe Camoscella
gelangen wir unter dem Pizzo Zucchero durch, zum Passo delle Possette und nach einer längeren Pause
zur Alpe Pianezzoni. Hier machen wir nochmals Halt und kaufen beim sympathischen Älpler Franco
frischen Käse aus 70% Kuh- und 30% Ziegenmilch. Weiter führt uns der Weg dann durch Alpweiden und
Lärchenwälder hinunter. Auf einer Höhe von 1'450 Metern treffen wir auf den schmalen Fahrweg welcher
vom Dörfchen San Domenico hinauf zur Alpe Veglia führt. Bedächdig und schweisstreibend schaffen wir
diesen Wiederaufstieg. Belohnt werden wir anschliessend von der Weite und der unberührten Natur der
Alpe Veglia welch zusammen mit der Alpe Dévero zu einem Naturpark gehört. Im Albergo Della Fonte
lassen wir uns wohlverdient von dem Wirtepaar Danilo und Katjuscia di Orio verwöhnen. Eine
Teilnehmerin musste heute leider aus gesundheitlichen Gründen nach hause fahren.
19. Juli: Alpe Veglia zur Alpe Dèvero/Crampiolo
Vor dem Frühstück um 7.00 Uhr sind zwei Unermüdliche bereits auf der grossen Terrasse und
absolvieren in der morgendlichen Frische ihr Mentaltraining: der Monte Leone, in der Morgensonne
goldgelb leuchtend, überwacht die korrekte Ausführung. Anschliessend erwartet uns erneut ein
wolkenloser Himmel und ein prachtvoller Wegabschnitt. Über die Alp La Balma seigen wir auf eine
höhere Talstufe empor zur Pian Sass Mor, einer einsamen Alpweide zwischen hohen Felswänden. Am
Ende dieses Talabschnittes führt uns der Weg, im kühlen frühmorgendlichen Schatten, in vielen Kehren
hinauf zum Passo di Valtendra auf 2'431 Meter. Nach einer längeren Pause, steigen wir wieder etwas ab
um zum nächsten Pass der Scatta d’Orogna zu gelangen. Unerwartet, in einer Mulde gelegen, führte der
Weg an einem kleinen idyllischen See vorbei, wo wir am liebsten längere Zeit pausiert hätten. Auf der
Scatta d’Orogna angelangt, sehen wir weit in der Ferne erstmals den grossen Lago di Dèvero, an dessen
Süd-Ende auch unsere nächste Unterkunft liegt. Da die Wetterverhältnisse ideal sind, verweilen wir hier
eine Stunde. Dann geht es gemächlich hinunter über eine grosse Alpweide, schliesslich durch einen
schütteren Lerchenwald und Alpenrosen, stets links dem Rio di Buscagna entlang. Einen Glacéhalt
schalten wir unten auf der Alpe Dèvero ein, da noch ein kurzer Wiederaufstieg nach Crampiolo vor uns
liegt. Etliche geschmackvoll restaurierte Holzhäuser im Walser-Stil, sind Zeugen der einstigen
Besiedelung durch Menschen aus dem Oberwallis. Nach dem letzten kurzen Schlussspurt erreichen wir
dann auf der Alp „Crampiolo“ unsere Unterkunft das Albergo La Baita. Auch dieser Weiler besteht aus
heimeligen restaurierten Holzhäusern wie wir sie aus den Walliser-Tälern kennen: Zeugen der einstigen
Völkerwanderung im ausgehenden Mittelalter.
20. Juli: Alpe Dévero/Crampiolo zum Rifugio Margaroli
Frühstück ist um 06.30 Uhr und eine Stunde später verlassen wir den heimeligen Weiler Crampiolo noch
im frühmorgendlichen kühlen Schatten gelegen, die Gräserspitzen mit frischem Tau geschmückt.
Gemütlich wandern wir dem Ostufer des Lago di Dèvero entlang bis an dessen Ende, wo beim Punkt
1901 der Anstieg zur Alpe Forno inferiore beginnt. Auf dieser verlassenen Alp angelangt, geniessen wir
die grosse Ruhe, die wärmende Sonne und die Rundsicht. Auf der gegenüberliegenden Talseite ist der in
das Binntal führende Albrunpass zu erkennen. Nach einem gemächlichen Anstieg durch die Weiden der
Alpe Forno erreichen wir gegen Mittag den Pass, die Scatta Minoia auf 2'599 Metern Höhe. Bei schönem
warmen Wetter rasten wir hier ein Stunde und jeder findet einen komfortablen Sitz- oder Liegeplatz. Über
ein grosses Schneefeld führt der Weg dann hinunter in eine Geröllhalde und weiter durch eine Gras- und
Moorlandschaft und einen gewagten Bachübergang bei der Alpe Curzalma. Kurz vor dem Ziel werden wir
noch am abschüssigen Wegabschnitt entlang des Lago Vannino in einer grossen Magerwiese, belohnt
durch eine seltene Orchidee, dem Türkenbund. Gegen 15.00 Uhr sind wir im Rifugio Margaroli. Diese
Unterkunft des italienischen Alpenclub, dem CAI, ist total ausgebucht und wir erhalten einen grossen
Raum für unsere Gruppe, zwei Schlafplätze sind auf der dritten Etage des grossen Kajüttenbettes. Vor
dem Nachtessen wagen zwei Unerschrockene noch ein Bad im kalten Lago Vannino.
21. Juli: Rifugio Margaroli nach Riale
Wir hätten bis um 7 Uhr schlafen können, aber da im Massenlager die Schlafqualität nicht ideal gewesen
ist, sind die meisten freiwillig schon früher aufgestanden. Alle sind pünktlich und schon fast
abmarschbereit zum Frühstück erschienen. Erstmals in dieser Woche hat es in der Nacht geregnet – als
wir das Rifugio Margaroli in Richtung Passo di Nefelgiù verliessen, begannen sich die Wolken zu lichten
und teils in der Morgensonne nahmen wir diesen steilen Anstieg unter die Füsse. Da die zu bewältigende
Höhendifferenz nur knapp 400 Meter betragen hat, erreichten wir in zwei Stunden, bereits gegen 10 Uhr,
die Passhöhe auf 2'583 Metern. Da es heute etwas kühler war, machten wir nur kurz Rast, dann folgte
der Abstieg in das Vallone die Nefelgiù. Den nächsten Halt machten wir gegen das Talende auf der Alpe
Nefelgiù, als wir unter uns den Lago di Morasco mit der langen Staumauer erblickten. Auf der gegenüber
liegenden Talseite schlängelte sich die Werkstrasse empor zu den Stauseen Lago Toggia und Lago
Castel. Im weiteren Abstieg nahmen wir dann den Weg über die Alpe Stafel und so kamen wir direkt
hinunter nach Riale ohne den langen Umweg zur Staumauer des Lago di Morasco. Riale, das hinterste
Dorf im Val Formazza, nannten die Walser einst Z’Chärbäch, weil hier der Bach in einer Rechtskurve
seinen Lauf änderte. Das Val Formazza nannten sie das Pomatt. Die liebevoll restaurierten Häuser bei
denen die Walliser Baukunst unverkennbar ist, geben dem Ort einen heimeligen Eindruck und versetzen
uns in eine weit zurückliegende Zeit. In diesem Kleinod übernachten wir in der Walser Stuba bei der
Familie Sormani, wo der Vater noch Walser-Deutsch sprach. Die Walser Stuba ist auch ein kulinarisches
Erlebnis – das Abendessen wird uns noch gut in Erinnerung bleiben. Anschliessend haben wir die
bekannte Walser Dichterin Anna Maria Bacher eingeladen. Sie erzählte und beantwortete uns Fragen aus
ihrem Leben und aus der Geschichte des Pomatt und der einstigen Besiedelung des Tales durch
ausgewanderte Oberwalliser Bergbauern die über den Passo San Giacomo in das Pomatt (Val Formazza)
einwanderten. Durch ihre sympathische Art und den urtümlichen ausdrucksstarken Walser-Dialekt,
gewann die Dichterin rasch unsere Herzen und hinterliess einen nachhaltigen Eindruck.
22. Juli: Riale nach Bosco Gurin
Heute ist der Himmel bedeckt und Gewitter sind prognostiziert – wir hofften dennoch, dass wir auch
heute Glück haben werden wie die ganze Woche. Um 7 Uhr fahren wir mit zwei Privatwagen der Familie
Sormani nach Fondovalle (Stafelwald) und beginnen den steilen Aufstieg zur Guriner Furggu. Dies
bedeutet von 1'219 Metern auf 2'323 Höhe aufzusteigen, ohne sich je auf einer ebenen Wegpassage
etwas erholen zu können. Bei der Alpe Stavello, einer zerfallenden Hütte, machten wir kurze Rast und
steigen dann weiter auf, gelegentlich schützt uns nun der Schirm oder die Regenpellerine vor dem Nass.
Als wir uns der Guriner Furggu näherten, zog ein kräftiges Gewitter und Niederschlägen auf und wir
konnten den sonst harmlosen Bach unterhalb des Passes, nicht überqueren, da er stark angeschwollen
war. So mussten wir gegen die Alpe Bodme absteigen und im flacheren Gelände den Bach überqueren.
Durchnässt und müde erreichten wir die Guriner Furggu und damit wieder die Schweiz. Inzwischen hatte
sich auch das Gewitter verzogen und wieder machte sich gelegentlich die Sonne bemerkbar. Im Abstieg
rief ich in die bewirtete Hütte der tiefer liegenden Alp an, die Capanna Grossalp und bat den Hüttenwart
uns eine heisse Minestra vorzubereiten. Alles klappte bestens und wir konnten uns bald bei Suppe,
Kaminfeuer und einem kräftigen Grappa aufwärmen. Trocken kamen wir dann nach einer weiteren
Stunde in Bosco Gurin an, dem einzigen Tessiner Dorf, in welchem die Bewohner deutsch sprechen.
Bosco Gurin wurde im ausgehenden Mittelalter vom Val Formazza aus von den deutsch sprechenden
Walsern besiedelt. Auch der Baustiel der Wohnhäuser lässt unverkennbar auf die Herkunft der Bewohner
schliessen: hier siedelten einst Bergbauern aus dem Oberwallis an. Im komfortablen Hotel Walser
erholten wir uns rasch von den heutigen Strapazen. Ein Teilnehmer gab nach dem Nachtessen auf dem
Klavierflügel in der Hotelhalle noch ein kleines aber unvergessliches Abschiedskonzert.
23. Juli: Bosco Gurin - Heimreise
Nun wartete noch eine lange Heimreise: mit dem Postauto fuhren wir auf einer schmalen und
kurvenreichen Strasse, teils durch kleine Dörfchen führend, hinunter nach Cevio, wo wir in den grösseren
Bus nach Locarno umsteigen mussten. Ab Locarno ging es weiter heimwärts mit dem Zug.
Eine tolle, eindrückliche und unvergessliche Woche bleibt uns in guter Erinnerung.