Wanderwoche im Malvaglia - 24. bis 30. August 2008
24. August: Capanne Quarnei
Alle vierzehn Teilnehmer sind pünktlich am Treffpunkt im Hauptbahnhof Zürich und gut gelaunt ob dem positiven Wetterbericht, besteigen wir den Zug Richtung Süden. Als wir um 12.43 h aus der Perron-Unterführung in Biasca zum Bussplatz kommen, kurvt unser Chauffeur, Signor Dany Bruni aus Torre, mit einem kleinen Privatbus schon heran. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmer Temperatur laden wir die Rucksäcke in den Anhänger und schon gehts das Blenio-Tal aufwärts in Richtung Malvaglia.
Hier verlassen wir die Hauptstrasse in Richtung des gleichnamigen Tales. Eine enge, kurvenreiche Bergstrasse führt vom Dorf aus ostwärts in das abgelegene und romantische Tal. Nur selten begegnen wir an einer Ausweichstelle einem talwärts fahrenden Auto. Wir spüren, dass wir allmählich in ein „anderes Zeitalter“ eintreten. Liebevolle restaurierte tessiner Steinhäuser begegnen uns.
Nach 700 Höhenmetern erreichen wir das Ausgleichsbecken von Malvaglia mit seiner imposanten, 90 m hohen Staumauer. Zum erstaunen der Teilnehmer geht es aber immer weiter bergwärts: durch die kleinen heimeligen Dörfer Madra und Dandrio – das nur noch im Sommer bewohnt ist und wo 1975 der eigene Schulunterricht eingestellt wurde – erreichen wir unser Fahrziel: Cusiè auf 1666 m Höhe. Insgesamt haben wir 1'300 Höhenmeter vom Dorf Malvaglia aus zurückgelegt.
Nun beginnt unsere Wanderung: gemütlich steigen wir durch einen Lerchenwald auf dem Hüttenweg empor. Bei der „Alpe di Pozzo“ stärken wir uns erstmals inmitten von Ziegen und Alphütten. Eine Familie aus La Chaux-de-Fonds bewirtschaftet die Alp im Rahmen eines Entwicklungsprojektes: verläuft die Ziegenkäseproduktion günstig, soll die Alp restauriert und wieder jeden Sommer genutzt werden.
Nach gut zwei Stunden erreichen wir über die „Alpe di Quarnei“ unser Ziel, die Capanna Quarnei. Die vor einigen Jahren gebaute Hütte liegt auf 2'106 m Höhe, am Rande eines Hochplateaus und bietet eine grandiosen Rundsicht auf das Tal Malvaglia und die umliegenden Berge. Der junge Hüttenwart Stefano Ghisla begrüsst uns herzlich und zeigt uns die zwei geräumigen Unterkünfte wo wir nun bis Mittwoch schlafen werden.
25. August - Pizzo Forca
Der neue Tag empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Unsere Hütte selbst liegt noch im Schatten, aber die gegenüberliegenden Berge – Gana Rossa und Gana Bianca – leuchten bereits in der Morgensonne. Nach dem Frühstück machen wir uns auf in Richtung Alpe di Quarnei, Laghetto dei Corti und von hier nun nordwestwärts zu unserem Tagesziel: dem Pizzo Forca. Durch eine weite Alpweide geht es bergwärts: die Stille wird durch einen gelegentlichen „Munggen-Ruf“ unterbrochen. Je höher wir steigen, umso steiniger wird das Weideland und umso dürrer auch die Gräser. Emporsteigend auf einem breiten Gras- und Steingrat, übersät mit Edelweiss, erreichen wir unser Ziel den Pizzo Forca: in der Ferne erkennen wir die Capanna Adula, UTOE, zu der wir am Donnerstag hinüber wechseln. Ab und zu zeigt sich hinter den aufsteigenden Wolken auch der Gipfel des Rheinwaldhorns oder einfach „Adula“, wie er von den Tessinern genannt wird. Mit 3'348 m Höhe ist dies der höchste Grenzberg des Kantons.
Zurück in der Hütte, bereitet uns der junge Hüttenwart, zusammen mit seinem Vater, ein wunderbares Nachtessen, eine köstliche Stärkung für den nächsten Tag. Nach dem Nachtessen erzählt uns Frau Regula Pedretti – extra für uns angereist - die interessante und wechselvolle Vergangenheit des Blenio-Tales: wir lauschen der spannenden Geschichte über das alljährliche „Franzosen-Fest“ an dem Männer in alten französischen Militäruniformen durch Ponto Valention ziehen. Dies zur Erinnerung an die jungen Soldaten, die einst in der Armee Napoleons dienten; oder über die Auswanderer welche von Malvaglia nach Paris zogen und dort ihre wunderbaren Glacé und Patisserien herstellten und verkauften. Wohlhabend zurückgekehrt, bauten sie ihre Villen im prunkvollen französischen Stil, Gebäude die noch heute in Malvaglia deutlich von den tessiner Häuser sich abheben; oder Einwohner aus Dangio wanderten nach London und brachten Glacé und Kaffee den sonst Tee trinkenden Engländern!
26. August – Vogeljoch / Vogelberg
Nach der gemütlichen etwa dreistündigen „Einlauftour“ vom Vortag, wird es heute etwas strenger! Um 7.00 h verlassen wir unsere Hütte in Richtung Alpe Gardedo. Noch den kühlen morgendlichen Schatten geniessend erreichen wir diese Alp über einen schmalen Weg durch eine steile Bergwiese und zwei Bergbäche überquerend. Von der Alpe Gardedo steigt der Weg, den man teilweise suchen muss, in engen Serpentinen südostwärts hoch zum Laghetto di Cardedo, der auf 2'605 m in einem engen Talkessel liegt. Hier machen wir erstmals Halt in der wärmenden Morgensonne. Dann steigen wir weiter über ein ausgedehntes Geröllfeld, in nun weglosem Gebiet, zum Vogeljoch, wo wir Punkt 11 Uhr auf einer Höhe von 2'918 m ankommen. Hier eröffnet sich uns das Hinterrhein-Tal mit dem Paradiesgletscher. Da das Wetter ideal und ein Teilnehmer auch wegkundig ist, entschliesse ich mich zu einer kleinen Variante: die Gruppe geht unter Führung von Walter Marti aus Kloten zurück zum Laghetto di Cardedo und ich überquere mit Ilona Nauer, Bülach, den Paradiesgletscher zur Gemskanzel. Da der Gletscher gänzlich ausgeapert ist und keine Spalten aufweist, können wir ihn gut ohne Steigesen überqueren. Von der Gemskanzel steigen wir über einen breiten Rücken empor zum Vogelberg, 3'218 m. Ueber den Pizzo Cramorino gehen wir wieder talwärts und erreichen am abgemachten Treffpunkt – nach etwa 2 Stunden – die Gruppe. Wir freuen uns ob der wundervollen Rundtour, die für die ganze Gruppe zu schwierig gewesen wäre. Etwas ermüdet geniessen wir nach der Rückkehr zur Hütte wieder ein wunderbsares Nachtessen – Pizzocheri – und die zuvorkommende Gastfreundschaft.
27. August – Alpe di Sceru
Nach der etwa achtstündigen Tour von gestern, wird es heut wieder gemütlicher: auf dem Höhenweg in Richtung Dagro liegt die Alpe di Sceru, unser heutiges Ziel. Von der Hütte aus gehen wir – wie bereits am Montag – zur Alpe di Quarnei und zum Laghetto dei Corti. Im Gegensatz zum ersten Tag, bleiben wir nun auf dem Höhenweg der uns um den ganzen Talkessel auf die Gegenseite des Tales führt: ein schöner Ausblick auf unsere Hütte. Mit nur geringer Höhendifferenz ist der Weg ideal angelegt, durch Bergwiesen, dichte Heidelbeer-Sträucher, schütteren Lärchen- und Föhrenwald, bis zur Alpe di Sceru. Nach etwa drei Stunden gemütlicher Wanderung erreichen wir dieses Ziel. Nun verteilen wir uns um die Alphütten: die eine Teilnehmerin hält die Eindrücke im Tagebuch fest, der andere schläft, wieder andere essen oder geniessen die Aussicht. Kurzum, jeder ist für sich zufrieden.
28. August – Capanne Adula, UTOE
Der heutige Tag beginnt speziell: zum Geburtstag eines Teilnehmers wird auf der Alp frühmorgens um 7.00 h die Glocke geläutet und ein kurzer Alpsegen gerufen. Der Hüttenwart schmückt den Tisch mit einer kleinen Kerze – diese spezielle Atmosphäre hinterlässt einen tiefen Eindruck!
Um 8.00 h verabschieden wir uns von Vater und Sohn Ghisla, die uns seit Sonntag vorbildlich bewirtet haben und brechen auf zur Capanna Adula,UTOE. Ueber die Alpe di Quarnei führt der Weg in den hintersten Winkel des Tales und teilweise einem Wasserfall folgend, steigt er dann auf zum Passo del Laghetto, den wir nach etwa zwei Stunden auf einer Höhen von 2'648 m erreichen. Am Fusse des Adula (Rheinwaldhorn) traversieren wir nun diesen Talkessel zur Adula-Hütte. Auf einer Höhe von 2'500 m überqueren wir den Gletscherbach: hier endete der Gletscher ca. 1910, heute hat er sich auf eine Höhe von 3'000 m zurückgezogen. Gegen 14.00 h sind wir bei der Hütte und treffen zu unserer grossen Ueberraschung das Ehepaar Luisa und Danilo Rota: sie haben uns im vergangenen Jahr in der Capanna Soveltra bewirtet. Jetzt sind sie besuchsweise in die Adula-Hütte gekommen, da sie wussten, dass wir nun zwei Tage hier verweilen werden!
29. August – Gletscher des Rheinwaldhorns/Adula
Da einige Teilnehmer noch nie bei oder auf einem Gletscher waren, steigen wir auf zur Gletscherzunge des „Vadrecc di Bresciana“. Zuerst über eine hoch durch den Gletscher einst aufgeschüttete lange Seitenmoräne, dann über weite Geröllfelder, geht es bergwärts.
Auf einer Höhe von 3'000 m erreichen wir – wieder bei schönstem Wetter – den Gletscher. Zurück in der Hütte verwöhnt uns die Hüttenwartin, Lorenza Balestra, mit ihren frischen Wähen und Kuchen.
Da wir am kommenden Tag bei einer Alpkäserei (Alpe Carassino) vorbei kommen werden, telefoniert Lorenza dorthin und lässt 5 Kg. Käse für uns zum Verkauf bereit machen! Nach dem Nachtessen erleben wir noch einen stimmungsvollen Sonnenuntergang – ein in dieser Hütte eindrückliches Naturerlebnis.
30. August – Lago di Luzzone und Zürich
Um 07.00 h ist Abmarschzeit! Nach einem Gruppenfoto mit der Hüttenwartin und ihrem nepalesischen Gehilfen, trennen wir uns schweren Herzens und steigen ab ins Val Carassino. Bei der Alpe Carassino nehmen wir im vorbeigehen den bestellten Käse mit und ein Teilnehmer - mit Hüftproblemen – kann mit dem Käser zum Lago di Luzzone fahren. Die „Eisernen“ tragen die Rücksäcke selbst bis zum Schluss und entsagen dem Transport. Nach einem langen Tunnel öffnet sich uns der Blick in ein neues Tal: das Valle di Garzora mit dem Lago di Luzzone, im Hintergrund der Piz Terri.
Pünktlich um 11.00 h werden wir von unserem Bus-Chauffeur aus Torre, Dany Bruni, bei der Staumauer abgeholt. Ueber Campo Blenio fahren wir nun das ganze Blenio-Tal hinunter nach Biasca. Aber: kurz konnten wir die Sehenswürdigkeiten, von denen uns am Montag Frau Pedretti in der Capanne Quarnei berichtet, noch bestaunen: die stillgelegte Chocoladen-Fabrik „Cima Norma“ in Dangio, das ebenfalls geschlossene Thermalbad-Hotel in Aquarossa und die „Franzosen-Villa“ in Malvaglia.
Wichtige Telefonnummern:
Dany Bruni, Minibus/Taxibetrieb, 6717 Torre |
079 444 01 81 |
Cap. Quarnei, Stefano Ghisla |
091 870 25 05 |
Cap. Adula, UTOE, Lorenza Belestra |
079 392 93 90 091 872 16 75 |
Kartenmaterial
„Landeskarte der Schweiz“ 1:25'000: 1253 Olivone und 1273 Biasca