Rund um das Matterhorn - Hochtourenwoche vom 4.07. bis 11.07.2010
4. Juli: St. Niklaus / Jungu
Viele Fragen beschäftigen mich vor einer Tourenwoche. Wie wird das Wetter? Passen
die Teilnehmer/Innen zusammen, die ich teilweise nur aus Telefongesprächen
kenne,...eine gemischte Gruppe, der jüngste 14-, der älteste 69-jährig! Wie ist ihre
Kondition – mögen alle eine solche Woche durchhalten?
Der Wetterbericht und die Aussichten für die kommende Woche sind tadellos. Wir
treffen uns – 15 Personen – in guter Stimmung im Zürich-HB. Um 11.00 h fahren wir mit
dem IC nach Visp, wo wir bei schönem Sommerwetter in die Matterhorn-Gotthard-Bahn
nach St. Niklaus/Zermatt umsteigen. Die Reservation in der MGB ist untergegangen und
so können wir ein Abteil in der 1. Klasse belegen: ein guter Start.
In St. Niklaus führt uns
die luftige „Jungenbahn“ auf den 1’955 m hoch gelegene Aussichtspunkt „Alp Jungu“.
Hier geniessen wir das angenehme Wetter, die Aussicht auf die Mischabel-Gruppe, die
Viertausender im Talabschluss bei Zermatt und auf das gegenüberliegende Grächen und
die Gastfreundschaft im „Jungerstübli“ bei der Familie Gruber.
5. Juli: Augstbordpass / Gruben im Turtmanntal
Nach einer teils unruhigen Nacht – der Apricotin wirkte ungleich – frühstücken wir
gegen 7 h und verlassen um 07.30 h Jungu in Richtung Gruben im Turtmanntal, zuvor
müssen wir aber noch rund 1’000 Höhenmeter bewältigen! Der Nebel lichtete sich kurz
und zu unserer Ermunterung zeigt sich das Brunegghorn im Morgenlicht.
Wir verlassen
Jungu auf leicht ansteigendem Weg, in Richtung Wolftole/Augstbord. Der gute Fussweg
führt zuerst durch einen romantischen, teils steil abfallenden Lerchenwald, über schmale
Felsbänder, kleine Holzstege, hinein in Schluchten und über abschüssige Magerwiesen,
übersäht mit Paradieslilien. In der kühlen Morgenluft umgibt uns stets ein feiner
Nebelschleier.
Ueber „Wolftole“ erreichen wir den Embdbach und das Augstbord: nun
beginnt der Anstieg. Durch die Alp Augstbordstafel, die noch nicht bestossen ist, führt
der Bergweg über Wiesen, eine Fülle von Blumen, entlang kleiner Bäche und Tümpel und
über Altschneefelder hinauf zum „Augstbodpass“. Nach dreieinhalb Stunden erreichen
wir auf 2’893 m die Passhöhe. Hier gönnen wir uns im Windschatten eine Rast und
„Energienachschub“, dann trennen wir uns: die einen gehen direkt hinunter zur Alp
„Grüobu Oberstafel“, die andere besteigt das Schwarzhorn.
Vom Augstbordpass führt
der Pfad, teils gut ersichtlich, teils weglos, über Geröllhalden, empor zum Schwarzhorn-
Gipfel auf 3’201 m. Angekommen geniessen wir in der warmen Mittagsonne die
Aussicht auf die Mischabelgruppe mit dem Dom. Beim Abstieg treffen wir die anderen
wieder und gemeinsam gehen wir über die Alp „Grüobu Mittelstafel“ talwärts. Wir
erreichen gegen 15.30 h unsere nächste Unterkunft in Gruben, das Hotel Schwarzhorn.
6. Juli: Col de Forcletta / Zinal
Punkt 7.00 h ist der Kleinbus der Luftseilbahn Turtmann-Oberems bereit für eine
Erstfahrt: es ist die erste solche Fahrt mit einer Gruppe in Richtung Alp „Chalte Berg“.
Bei der letzten Kurve, auf einer Höhe von 2'280 m, endet die Fahrt und weiter geht es
auf „Schusters Rappen“. Auf der nun langgezogenen, kurvenlosen Naturstrasse, wandern wir bergauf in Richtung
der Alp „Chalte Berg“: vor uns stets der prachtvolle Talabschluss des Turtmanntals: der
zerklüftete Turtmanngletscher, das Bishorn, der Brunegg-Gletscher mit dem
gleichnamigen Brunegghorn, das Innere und Aeussere Barrhorn und das Weisshorn.
Ueber die Forcletta, im Walserdialekt „Furggilti“ genannt, gelangen wir auf 2'874 m, ins
nächste Tal, das Val d’Anniviers. Nach der Alp „Tsahélet“ vereinigt sich unser Weg auf
einer Höhe von 2'344 m mit dem Weg der vom bekannten Hotel Weisshorn her nach
Zinal führt. Dieser Panoramaweg überrascht uns: plötzlich, nach etwa einem Kilometer,
wir umrunden eine Kuppe, öffnet sich der Blick in den Talabschluss: eine Vielzahl von
Gletschern und bekannte hohe Gipfel stehen vor uns, z.B. das Ober Gabelhorn, der
Besso, der Blanc de Moming, das Zinalrothorn, die Arête du Blanc, das Bishorn und im
Hintergrund das Matterhorn. Auf diesem prachtvollen Weg könnte man überall
verweilen.
Bevor wir nach Zinal absteigen tun wir dies und geniessen für eine halbe
Stunde das Panorama, erholen uns, ergänzen den Flüssigkeitsbedarf und verzehren die
Proviantreste. Durch einen Schatten spendenden Lerchenwald mit einem alten und
knorrigen Baumbestand, steigen wir ab nach Zinal. Gegen 15.30 h erreichen wir hier das
Hotel „Le Besso“, wo wir bei Frau Salamin bestens aufgehoben sind. Eine erfrischende
Dusche, ein Kleiderwechsel und wir sind bereit für ein gutes abwechslungsreiches
Nachtessen und anschliessend einen kurzen Abstecher in den alten Dorfteil von Zinal
der sich lohnt: liebevoll restaurierte Walliser Wohnhäuser und „Stadel“ deren Stützen mit
den bekannten Steinplatten unterbrochen sind, zum Schutz gegen Nagetiere.
7: Juli: Lac de Moiry / Col du Tsaté / La Forclaz / Arolla
Da die erste Gondel zur Alp „Sorebois“ – im Winter ein bekanntes Skigebiet – erst um
08.00 h fährt, schlafen wir etwas länger!. Bei prachtvollen Wetter, wolkenlosem Himmel
und einem grandiosen Rundblick, wandern wir über die Weideflächen der Alp
„Sorebois“ gegen den „Col de Sorebois“ auf 2'835 m. Das Erreichen und
Ueberschreiten einer Anhöhe ist stets ein Ereignis: was wartet auf der anderen Talseite?
Hier ist es der Blick auf den Lac de Moiry und in der Ferne den Grand Combin mit seiner
ewigen Schneedecke. Zügig steigen wir zum See ab, da uns um 10.30 h Michèle Walter
mit seinem „Taxi Anniviers“ bei der Staumauer erwartet und zur Gletscherzung des
Glacier de Moiry führt. Von da gelangen wir via „Lac de la Bayenna“ auf 2'548 m – nach
einer ausgiebigen Rast und Blick auf den Gletscher – zum nächsten Uebergang, dem
„Col du Tsaté“ auf 2'868 m. Nun öffnet sich uns die Weite des Val d’Hérens und die
Abzweigung ins Val d’Arolla, das nächste Tagesziel. Ueber die ausgedehnte Alp „Le
Tsaté“ gelangen wir zügig nach „La Forclaz“.
Pünktlich um 15.30 h erwartet uns das
„Taxi Follonier“ und bringt uns ins „Grandhôtel Kurhaus Arolla“, ein älteres, restauriertes
Hotel aus den Anfängen des Alpinismus. Im wunderschönen Park unter alten, knorrigen
Lerchen, passen wir die in Arolla deponierten Steigeisen und Anseilgurte an, da wir
anderntags erstmals einen Gletscher überqueren. Aber: zuvor gibt es zum Nachtessen
einen Walliser-Teller mit und dann Raclette. Im alten Aufenthaltssalon des Hotesl, wo
stumme Zeugen aus längst vergangener Zeit zu uns schauen, spielt ein Teilnehmer auf
dem Klavier: seine musikalischen Phantasien schaffen eine ganz spezielle und
entspannende Atmosphäre – eine Verbindung zur Zeit als das Hotel entstand?
8. Juli: Col Collon / Rifugio Prarayer
Als ich erwache leuchtet die Spitze der Pigne d’Arolla, hell strahlend in der
Morgensonne, in mein Zimmer! Wir frühstücken um 07.00 h – etwas spät – da unser
Bergführer, Philipp Zehner aus Naters, erst mit dem ersten Postautokurs um 08.05 in
Arolla ankommt. Dann geht es zügig mit den Hotelbus ans Talende, bis zur
Gletscherzunge des „Glacier d’Arolla“. Nun, noch mit Steigeisen, Pickel und Steil
beladen, steigen wir mit schwerem Rucksack empor zum „Haut Glacier d’Arolla“ den wir
auf einer Höhe von 2'600 m betreten. Er hat sich weit zurückgezogen und eine breite mit
Geröll übersäte Talmulde zurückgelassen. Aber wir erfahren auch, dass zur Zeit des
Römischen Reiches, dieser Uebergang, der „Col Collon“, weitgehend eisfrei gewesen
sein soll und als wichtige Passage diente.
Gegen Mittag, nach einem gemächlichen
Anstieg über den Gletscher, erreichen wir auf 3’074 m den „Col Collon“, der auch die
Grenze zu Italien markiert. Obligate Rast, Fotos und Tenue-Erleichterung folgen und
schon geht es wieder 1'000 m talwärts in Richtung Rifugio Prarayer. Vorbei am Rifugio
Nacumuli das am Weg liegt und wo wir uns bei Apfelkuchen stärkten, vollziehen wir den
allmählich Uebergang aus der „Stein- und Gletscherwelt“ in die lebensfreundlicheren
darunter liegenden Vegetationszonen: zuerst spärlich Blumen, Moose und Flechten,
dann Alpweiden, die Blumenvielfalt der Magerwiesen, schliesslich Sträucher und dann
wieder Lerchenwald! Das Rifugio Prarayer liegt in einer Alpweide, von Wald umgeben,
erhöht über dem „Lac de Places de Moulin“: eine seltsame Abgeschiedenheit aus einer
anderen Welt! Auch hier lässt uns die Signora Rosanna keine Wünsche offen: duschen,
gutes Essen und angenehme Betten sorgen dafür, dass wir anderntags wieder gestärkt
und ausgeschlafen sind.
9. Juli: Col di Valcornera / Breuil-Cervinia / Testa Grigia
Heute wird es strenger! Tagwacht um 05.00 h, Abmarsch um 06.00 h! In der kühlen
Morgenluft kommen wir gut voran. Durch einen Lerchenwald, erreichen wir bald die Alp
Valcornière, eine wild-romantische, abgeschiedene und verlassene Gegend und den
steilen Anstieg zum Col de Valcornera. Die Flurnahmen sind hier teils französisch, teils
italienisch angeschrieben, wegen des einstigen Wechsels der Staatszugehörigkeit
zwischen Frankreich und Italien. Ueber steile, gelegentlich mit Ketten gesicherte
Wegpassagen, Geröll- und Schneefelder erreichen wir – nach über 1'000 m Anstieg –
den Col de Valcornera.
Auch dieser sechste Uebergang überrascht uns: staunend
erblicken wir die Weite des Valtournenche, die Gletscher am Südhang des Breithorns,
Pollux und Castor, Liskamm, die Signalkuppe und das Monte Rosa Massiv! Ueber
Schneefelder hinunter, am Rifugio Perrucca-Vuillermoz – ohne Halt (!) – vorbei, entlang kleiner Seen,
Wasserfällen und Bächen geht unsere Reise weiter. Erstmals kreuzt heute ein Steinbock
unseren Weg – unbeirrt, majestätisch und ohne Scheu geht er langsam seines Weges,
unsere Gruppe kaum beachtend!
Nach einer kurzen Gegensteigung erreichen wir das
„Fenêtre de Tsignanaz“. Eine kurzen Rast und weiter geht es talwärs. Plötzlich, nach
Umrundung einer Felsrippe, steht vor uns der Berg, der unserer Tourenwoche den
Namen gegeben hat: das Matterhorn. Einsam emporragend steht es im wolkenlosen Himmel vor uns – wir machen einen
kurzen Halt und geniessen diesen Blick. Nach dem wir mehr als 1'200 m abgestiegen
sind, erreichen wir – auf die Minute genau um 15.30 - das kleine Ausgleichsbecken bei
Perrière, wo unser nächster Taxi, Signore Meynet aus Cervinia, bereits wartet. Wir
erreichen so in Cervinia problemlos die letzte Bahn auf das “Plateau Rosa“. Hier
übernachten wir im Refugio Testa Grigia auf 3'480 m Höhe.
10. Juli: Breithorn (4164m) / Täsch
Ein kräftigendes Frühstück und um 06.00 h geht es nochmals los! Mit Steigeisen gehen
wir, die Pisten des Sommerskigebietes vorerst benutzend, empor zum Kleinen
Matterhorn. Hier lassen wir das nicht benötigte Material zurück und steigen auf zum
Breithorn, dessen Gipfel wir gegen 10 h erreichen, mit 4'164 m der höchste Punkt
unserer Woche. Freudig – teils mit Tränen in den Augen – beglückwünschen wir uns: still
geht jeder während einiger Minuten seinen eigenen Gedanken nach. Ein Gruppenfoto
darf natürlich nicht fehlen!
Dann steigen wir zum Kleinen Matterhorn ab, besuchen die
Aussichtsplattform und fahren hinunter zur Zwischenstation „Furi“, wo wir ein gutes und
ausgiebiges Mittagessen verdient haben. In der letzen Nacht sind wir Gast im Hotel
Täscherhof, direkt beim Bahnhof in Täsch. Hier feiern wir mit einer kleinen
Abschiedsparty die unvergesslichen Eindrücke dieser Woche: übrigens ohne einen
Tropfen Regen!
11. Juli: Heimreise nach Zürich
Am letzten Tag bleibt noch die Heimreise. Ich gebe die Zahlen der Tourenwoche
bekannt die ein Teilnehmer zusammengestellt hat: zurückgelegte Distanz 74.2 km.,
Aufstieg total 6'175 m, Abstieg 7'485 m – jemand meinte dazu: „diese Zahlen sind
wirklich nicht übel, aber eigentlich völlig unbedeutend im Verhältnis zur Zahl der Blumen,
der Bäche und der überwältigenden Aussichten, die wir gesehen haben, oder im
Verhältnis zu den vielen Stunden, die wir zusammen gelacht, geplaudert oder einfach
die Ruhe genossen haben!“
Statistik:
Total Aufstieg: 6'175 m
Total Abstieg: 7'485 m
Distanz: 74,276 km
Telefonnummern:
LSB St. Niklaus – Jungen |
027 956 22 80 |
Berggasthaus „Jungerstübli“ |
027 956 21 01 |
Marceline Gruber, Natel
|
076 540 25 28 |
Hotel „Schwarzhorn“, Gruben, Carmen Tscherrig |
027 932 14 14 |
Taxi LSB Turtmann-Oberems
|
027 932 15 50 |
Taxi Rufener, Turtmann
Natel
|
027 932 14 04
079 449 42 16 |
Hotel „Le Besso“, 3961 Zinal (Frau Salamin) |
027 475 31 65 |
LSB Zinal-Sorebois
|
027 475 18 70 |
Taxi Michèle Walter (Taxi Annivier), 3961 Vissoie |
079 628 61 11 |
Taxi „Follonier“, Jean-Maurice Follonier, Les Haudères
|
079 427 30 77 |
Grand Hôtel Kurhaus Arolla
|
027 23 70 00 |
Rifugio Prarayer, CAI
|
0039 0165 73 00 40 |
Rifugio Testa Grigia, CAI
|
0039 0166 94 83 69 |
LSB Cervinia-Plateau Rosa/Testa Grigia
|
0039 0166 94 43 11 |
Taxi Meynet, Cervinia |
0039 333 237 45 23 |
Taxi Pession, Cervinia
|
0039 348 312 30 36 |
Hotel Täscherhof, 3929 Täsch |
027 966 62 62 |
Verwendete Landeskarten:
„Landeskarte der Schweiz“ 1:25'000: 1308 St. Niklaus; 1307 Vissoie, 1327 Evolène; 1347 Matterhorn, 1348 Zermatt
„Landeskarte der Schweiz“ 1:50'000: 293 Valpelline; 5006 Matterhorn-Mischabel